Betr.: Sendung Planetopia vom 10.02.08 (http://www.planetopia.de/archiv/2008/planetopia/02_10/31_text.html )

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bezugnehmend auf o.g. Sendung sehen wir uns in verstärktem Maße gezwungen, zu diesem Thema Stellung zu beziehen und erlauben uns, hiermit anzuregen, die darüber hinausgehenden grundsätzlichen und ernsten Bedenken zum § 43a HSOG zur Kenntnis zu nehmen. Eine Änderung der derzeitigen Gesetzeslage sollte aus unserer Sicht so schnell wie möglich auf sinnvolle und praktikable Weise herbeigeführt werden.

Zunächst dürfen wir auf die o.g. Fernsehsendung Bezug nehmen.

Grundsätzlich scheint der Gesetzgeber zwar einerseits rechtsgültige Maßnahmen einzuleiten, die vordergründig dem Schutz der Bevölkerung dienen sollen oder Missstände ausräumen sollen. Andererseits, so erweckt es den Anschein, werden sinnvolle Gedanken jedoch zu vorschnell rechtsverbindlich umgesetzt, wobei deren teilweise erhebliche Tragweite augenscheinlich nicht zur Gänze bedacht worden ist.

So können einerseits gewerbliche und gewerbsmäßige Tierhalter, wie auch der im Filmbeitrag gezeigte Halter aus Dietzenbach, vollkommen unberührt ihren Interessen weiterhin nachgehen, ohne einer Reglementierung unterworfen zu sein. Im vorliegenden Fall wird also einem Privatmann, der gewerbsmäßig gefährliche Tiere hält, weiterhin erlaubt, uneingeschränkt Gefahrtiere zu halten und augenscheinlich den Tierbestand weiterhin und uneingeschränkt zu vergrößern. Dass die dort befindlichen Gefahrtiere auf unserer Meinung nach fahrlässige und wenig von Sachkunde zeugende Art und Weise Dritten mehr oder minder ungehindert zugänglich gemacht werden, wird wohlwollend in Kauf genommen und fraglos geduldet, wie uns scheint.

Andererseits ist es weiterhin gerade in Hessen, aber auch in Bayern und anderen Bundesländern, die eine Regelung für sogenannte Gefahrtiere haben, kein Problem, eben solche Tiere zu handeln und zum Verkauf anzubieten, ja selbst der Erwerb wird in keinster Weise reglementiert bzw. an das Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung gebunden, sondern ist de facto als rechtsfreier Raum anzusprechen.

 

Wie in dem Beitrag dargelegt wurde, besteht eine erhebliche Diskrepanz im geltenden Recht. Einerseits ist es erlaubt, sich als Privathalter „gefährliche“ Tiere zu kaufen, andererseits ist der Verkauf in Hessen nicht verboten, da ja nur die Haltung und der Besitz reglementiert ist.

Ähnlich wie derzeit in Bayern ist es für Personen mit oder ohne Sachkunde jederzeit möglich, sich die Tiere wissentlich oder unwissentlich zu kaufen. Das behördliche „böse Erwachen“ erfolgt im Nachhinein. So werden diese Halter eben diese Tiere nicht anmelden und illegal halten, bzw. durch Unwissen oder Vorsatz gesetzeswidrig handeln. Eine adäquate Überwachung dürfte kaum möglich sein und für die zuständigen Behörden weder realisierbar, noch finanzierbar werden.

Des Weiteren werden seriöse Halter, die sicherlich die Majorität darstellen, verunsichert und unter dem so künstlich aufgebauten Druck ihre Tiere abgeben müssen, sofern sie nicht, wie die Situation z.B. in Bayern dies leider nur allzu drastisch belegt, die Tiere illegal und fern jeder behördlichen Kontrolle heimlich halten. Dass dies ein weitaus größeres Risikopotential birgt, ist augenscheinlich.

Da in Hessen, wie auch in den meisten anderen Bundesländern keine spezialisierten und an die entstehenden spezifischen Erfordernisse angepassten Auffangstationen existieren und diese auch nicht geplant sind, werden die Tiere zwangsläufig an Personen abgegeben, deren Kapazitäten bereits jetzt schon erschöpft sind.

Diese „Verwahrer“ sind unserer Meinung nach damit total überfordert, meist weder räumlich, noch logistisch an diese Erfordernisse angepasst und nach gültigem Tierschutzrecht (§ 11) darüber hinaus nicht autorisiert.

Das Tierschutzgesetz fordert explizit, dass Einrichtungen, die Tiere für Dritte unterbringen wollen, eine entsprechende Genehmigung nach § 11 TSchG vorzuweisen haben, die an eine zu belegende Sachkunde des Pflegers und seiner Mitarbeiter bzw. seines Stellvertreters gebunden ist. Diese soll, da es sich zweifelsohne um eine gewerbliche Unterbringung von Tieren für Dritte handelt, im Rahmen einer entsprechenden Berufsausbildung erworben sein und muss unseres Erachtens weit über die freiwilligen Sachkundenachweise der Verbände hinausgehen und von einem Amtsveterinär geprüft worden sein. Weiterhin stellt das Tierschutzrecht eindeutig Ansprüche und Anforderungen an Räume und Einrichtungen, in denen Tiere für Dritte gehalten werden sollen, wobei für Auffangstationen und Tierheime darüber hinaus spezifische Anforderungen gestellt werden, wie das Vorhandensein einer Quarantänestation u.v.m. Entsprechende Aufzeichnungsverpflichtungen, eine absolut zwingende Transparenz dieser „Betriebe“ nebst behördlicher Kontrollen und – nicht zuletzt – eine angemessene Honorierung der erbrachten Leistungen sowie der langfristige tierschutzgerechte Verbleib der betroffenen Tiere sind derzeit nicht geregelt.

Dazu kommt, dass eine derartige und derzeit augenscheinlich praktizierte Unterbringung dem von der Hessischen Landesregierung verabschiedeten § 43 a HSOG zur Gänze widerspricht. Durch die bereits jetzt stark beengten Verhältnisse (z.B. bei der oben genannten Person) sind weder die Belange des Tierschutzes, noch sicherheitsrelevante Kriterien mittel- bis langfristig gewährleistet bzw. gewahrt.

Angesichts der allseits bekannten Medienberichterstattung über besagten Halter und seine Tierhaltung bzw. seine Praktiken im Umgang mit den Tieren und mit Dritten, z.B. Kindern, denen er Zugang zu erwachsenen Alligatoren, früher sogar zu Nilkrokodilen, gewährt, stellt sich uns zwingend die Frage, in wie weit die von der Hessischen Landesregierung geforderte Zielsetzung, die den „ Schutz der Bevölkerung“ in den Vordergrund stellt, gesichert sein kann, wenn dieser Herr z.B. Dritten ungehindert und ungeschützt Zugang zu Krokodilen gewährt, die genau eine ebensolche Gefahr de facto potentiell in sich bergen.

Soll die Umsetzung eines Gesetzes, das den Schutz der Bevölkerung, basierend auf unbestreitbar falschen Zahlenangaben, zum Inhalt hat, letztlich in dilettantischer Art und Weise  Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht beinhalten und letztlich eben die geforderte Sicherheit der Bevölkerung indirekt gefährden?

Es geht uns nicht darum eine Person zu kritisieren oder Praktiken anzuprangern, jedoch

fordern wir Sie hiermit auf, auf Grund der Entwicklungen in Hessen, Einfluß auf eine erneute Änderung der bestehenden Gesetzeslage zu nehmen und deren Umsetzung auf eine Basis zu stellen, die letztlich vertretbar sein kann und nicht bereits im ersten Schritt ihrer Umsetzung, der Unterbringung weggenommener Wirbeltiere nämlich, rechtswidrige Zustände schafft.

Wir bestreiten keineswegs, dass die Haltung von Tieren, von denen eine reelle Gefahr für Dritte oder den Tierhalter ausgehen kann, einer Reglementierung bedarf. Dies sollte jedoch zu Ende gedacht und auf praktikablen und inhaltlich korrekte, sinnvolle Art und Weise realisiert werden, die letztlich nicht zu einer künstlich geschaffenen Tierschutzproblematik führt.

Es sei uns daher an dieser Stelle zum wiederholten Male erlaubt, jedwede Gesprächsbereitschaft unsererseits zu signalisieren und Hilfestellung durch sachkundige Personen und Institutionen anzutragen. In diesem Rahmen verweisen wir darauf, dass sowohl die Definition der reell gefährlichen Tierarten, als auch die Möglichkeiten einer sinnvollen Reglementierung bezüglich der Sachkunde der potentiellen Tierhalter, der Sicherheit von Tiergehegen, und nicht zuletzt eine sinnvolle Definition eines berechtigten Interesses der Tierhalter nicht nur möglich, sondern vielmehr zwingend notwendig erscheint.

Darüber hinaus bitten wir Sie eindringlich, die Schaffung staatlich finanzierter, mit sachkundigem Personal ausgestatteter Einrichtungen wie Tierheimen, Auffangstationen und „Gnadenhöfen“ für die vorübergehende und in der Folge langjährige dauerhafte und tierschutzgerechte Unterbringung der wegzunehmenden Tiere Sorge zu tragen. Private Auffangstationen und beauftragte private Halter können und dürfen nicht die ultima ratio sein, ebenso wenig wie die erzwungene Euthanasie betroffener Tiere. Derzeit existieren in Hessen unseres Wissens keine geeigneten Auffangstationen; die Station im Zoo Frankfurt existiert derzeit nicht mehr und Tierheime sind weder imstande noch in der Pflicht, Gefahrtiere zu pflegen.

Es erscheint daher zwingend, zur Umsetzung geltenden Rechtes entsprechende Maßnahmen einzuleiten, die eine erhebliche Summe Geldes kurzfristig, aber in deren Betrieb und Erhaltung auch mittel- und langfristig erfordern werden.

Derzeit besteht lediglich eine offizielle Reptilienauffangstation in München (http://www.reptilienauffangstation.de), die die Bayerische Staatsregierung zukünftig mit finanzieren möchte, eine Exotenstation in Berlin ist geplant. Gegebenenfalls sollte auch über eine rasche und dauerhafte Kooperation in diesen Bereichen nachgedacht und schnellstmöglich realisiert werden, um zukünftig Misswirtschaft und –management in diesen Bereichen vorzubeugen und zukünftig tierschutzwidrige Unterbringungen unmöglich zu machen.

 

Für uns unverständlich ist die Tatsache, dass, obwohl es in Hessen eine weitaus einfachere, praktikablere und vor allem kostengünstigere Lösung für den Steuerzahler geben würde, aber dennoch Gesetze verabschiedet werden, die unüberlegt und in iherem gesamten Ausmaß und ihren Folgen kaum durchdacht sind.

Eine einfache und zufriedenstellende Lösung wäre es, die Haltungsgenehmigung für „gefährliche Tieren“ explizit an die zu belegende Sachkunde zu knüpfen. Dadurch gäbe es weniger anonyme Halter geben und eine behördliche Überwachung bestehender, legaler und genehmigter Haltungen wäre praktikabel. Auflagen an die Haltungsbedingungen und Sicherheit wären möglich und realisierbar, was die Situation in Bayern deutlich belegt.

Als wichtigster Vorteil sind, unserer Meinung nach, die geringen Kosten anzusehen, die weniger Verwaltungsaufwand für die zuständigen Stellen und keine zusätzlichen Kapazitäten für beschlagnahmte Tiere erfordern würden.

Die momentan gültige Regelung des „Bestandschutzes“ stellt keine wirkliche Alternative dar, da sich bei der hohen Lebenserwartung z.B. von Krokodilen, das Thema nicht irgendwann

„von selbst“ erledigt. Darüber hinaus steht die bestehende Regelung jedweden Nachzuchtbemühungen auch für hoch bedrohte Arten in Menschenobhut entgegen. Leider ist in Europa die Situation dergestalt, dass Zuchtbemühungen in zoologischen Einrichtungen für Reptilien logistisch kaum oder gar nicht möglich sind und die Erhaltungszucht, ebenso wie herausragende wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet ohne das Engagement privater Tierhalter nicht denkbar wäre.

Die Kapazitäten in Zoos und handverlesener Haltern für die Aufnahme von weggenommenen Tieren wird rasch erschöpft sein, bzw. ist es jetzt schon. Zoos können und wollen nicht zu Auffangstationen und Tierheimen verkommen, deren Kapazität nicht mehr der wissenschaftlichen Arbeit, die einen ihrer primären Aufgabenbereiche darstellt, zur Verfügung stünde. Sie müssten der zweckendfremdenden Zwischenlagerung beschlagnahmter Tiere, die weder in das wissenschaftliche Betätigungsfeld der Zoos fallen, noch aus Sicht der Erhaltungszuchtbemühungen deutscher und europäischer Zoos relevant wären, dienen. Dies kann und darf nicht angestrebt werden! Eine Abgabe in andere Bundesländer dürfte mittelfristig ebenfalls schwierig werden.

Es wäre im allgemeinen Interesse, eine vernünftige Lösung herbeizuführen, die sowohl

dem Schutz der Bevölkerung dient, als auch den sachkundigen Tierhaltern gerecht werden kann.

Hierfür bieten wir Ihnen weiterhin unsere Mithilfe an und würden es begrüßen,

wenn wir konstruktiv zusammenarbeiten könnten.

 

 

Hochachtungsvoll

 

 

 

Der Vorstand der DGHT e.V.

Arbeitsgemeinschaft Krokodile

Reptilienauffangstation München e.V.

Auffangstation Hilchenbach

Krokodilstation Golzow