Nachzuchten  Caiman crocodylus crocodylus
( Brillenkaiman )

Volker Steffen

Quelle :  Stephanie & Volker Steffen : Haltung und Nachzucht des gewöhnlichen Brillen- oder Krokodilkaimans
SAURIA, Berlin, 1999, 21 (1): 33 - 37


Bevor man sich Kaimane oder andere kleinwüchsige Panzerechsen anschafft, sollte man sich im klaren darüber sein, ob man den Tieren auch im adulten Zustand die nötige Pflege und den nötigen Platz bieten kann.
Da dies bei uns der Fall ist, erwarben wir im September 1994 zwei semiadulte Tiere von ca. 80 cm, die laut ihrer CITES-Unterlagen 1990 geschlüpft waren.
Äußerlich konnte zu diesem Zeitpunkt noch keine definitive Aussage über das Geschlecht gemacht werden.

Die Tiere bezogen zunächst eine Anlage im Keller, die mit einem 1700 l großen Wasserbecken und einem ca. 1,5 m² großen Landteil ausgestattet ist.
Im Dezember bekamen wir noch ein drittes Tier hinzu, das sein Vorbesitzer aus Platzgründen hatte abgeben müssen.
Es maß ca. 110 cm und stammte laut Unterlagen aus 1989.
Nach kurzer Eingewöhnungszeit gingen alle Tiere sehr gut ans Futter, das aus Süßwasserfischen, Eintagsküken, Mäusen, Ratten, Innereien und Katzentrockenfutter bestand.
Die Futtertiere wurden regelmäig mit Vitamin- und Calciumpräparaten ( Vitakalk, Enova forte, Korvimin ZVT, Osspulvit S, Multibionta forte N ) aufgewertet.

Bei der Fütterung geht es hoch her, Verletzungen kommen aber nicht vor Caiman crocodylus

So entwickelten sich die Tiere sehr gut und im Frühjahr 1995 begannen wir eine größere Anlage für sie zu bauen.

Ein Gewächshaus aus Aluminiumsprossen mit UV-lichtdurchlässigen Stegdoppelplatten erschien uns am günstigsten.
Das Haus hat eine Länge von 600 cm, eine Breite von 310 cm und eine Firsthöhe von 250 cm.
Die Höhe wurde durch komplettes Auskoffern des Bodens noch um 50 cm erhöht.
Dadurch wurde gleichzeitig ein ebenerdiges Begehen über einen mit Geländern gesicherten Steg möglich.
Im Haus befindet sich ein ca. 10 m² großes Wasserbecken mit einer max. Wassertiefe von 90 cm und einem Volumen von 3700 l.
Das Haus ist an die Gaszentralheizung angeschlossen.
Im gesamten Bodenbereich befindet sich eine Fußbodenheizung, die den Landteil das ganze Jahr über auf 30 - 35 C° temperiert.
Die Wassertemperatur wird durch die Heizung über ein Thermostat auf 24 - 26 C° gehalten.
Zusätzlich ist ein Heizkörper angebracht, so daß die Lufttemperatur Werte zwischen 18 C° in kalten Winternächten ( Außentemperatur bis -22 C° ) und 35 - 40 C° an heißen Sommertagen aufweist.
Um ein zu starkes Abkühlen im Winter zu verhindern, wird das komplette Haus zusätzlich von Ende November bis Mitte April mit einer Luftpolsterfolie umhüllt.
Um ein Überhitzen im Sommer zu verhindern, sind im Dach vier Lüftungsfenster installiert, die sich bei Werten von über 26 C° automatisch öffnen.
Die erforderliche Luftfeuchtigkeit wird zum einen durch Verdunstung des Wassers aus dem Becken, zum anderen durch Niederschlag aus mehreren automatisch gesteuerten Bewässerungsdüsen erreicht.
Letztere sorgt gleichzeitig für eine ausreichende Wasserversorgung der Bepflanzung des Gewächshauses.
Weil dabei auf das durch Krokodilkot stark mit pflanzenverfügbaren Stoffen angereicherte Wasser des Beckens zurückgegriffen wird, findet gleichzeitig auch eine regelmäßige Düngung statt.
Beleuchtet wird das Haus nur über das natürliche Sonnenlicht, wodurch auch für die Tiere ein gewisser Jahresrythmus stattfindet, der sich im Winter in einer gewissen Freßunlust äußert.
Nur bei länger anhaltenden Schlechtwetterperioden im Winter wird über einen 500 W Halogenscheinwerfer ein Stück des Landteils bestrahlt.

Als die Tiere im Mai 1995 in diese Anlage übersiedelten, wurde durch Palpieren eine Geschlechtsbestimmung vorgenommen.
Dabei konnte bei den Männchen deutlich ein ca. 3 - 5 cm großer Penis festgestellt werden.
Bereits im Jan./Feb. 1996 wurden dann einige fortpflanzungsbezogene Aktivitäten beobachtet.
Diese äußerten sich in Imponiergehabe der Männchen, Brüllen und gegenseitigem Besteigen, wobei es keine geschlechtliche Differenzierung gab.
Jedes Tier versuchte, jedes andere zu besteigen.
Im Jan./Feb. 1997 wurden dann verstärkt Paarungsaktivitäten festgestellt, wobei eine Kopolation nicht beobachtet werden konnte.
Zu dieser Zeit hatten die Tiere folgende Größe ( in Klammern das Geburtsjahr ) : Männchen ( 1989 ) : 140 cm
Männchen ( 1990 ) : 130 cm
Weibchen ( 1990 )  : 115 cm .

Nachdem Mitte Mai beim Weibchen ein deutliches Anschwellen des Hinterleibes erkennbar war, konnte man von einer Trächtigkeit ausgehen.
Außerdem fiel auf, daß sich das Tier überwiegend auf dem geheizten Landteil aufhielt.
Anfang Juni wurden deshalb erste Nestbaumaterialien in die Anlage gegeben.
Frisch geschnittenes Gras, Blätter, Stroh und humose Erde sollten dem Weibchen dazu dienen, einen Nisthügel zu bauen.
Mehrfach errichtete es dann auch Hügel, wobei es das Material sehr gut mischte.
Fast den ganzen Tag war es an Land und arbeitete immer wieder an dem Bau.
Beim Zusammentragen des Materials zeigte das Kaimanweibchen eine gewisse Technik.
Jeweils abwechselnd wurde mit den Vorder-, dann mit den Hinterfüßen Material nach hinten geworfen ( zwei- bis dreimal pro Fuß ).
Diese Vorgehensweise wiederholte es, wobei es sich 2 bis 3 Schritte nach vorne bewegte.
Dann drehte es sich um und verfuhr an der gegenüberliegenden Seite genauso.
Im Laufe der Zeit hatte es so, in einem gewissen Bereich um das Nest, alles Material zu einem Hügel zusammengeschoben.
Das Weibchen baute den Nisthügel dreimal neu, wobei er teilweise 40 cm hoch wurde und einen Durchmesser von über 100 cm erreichte.
Bei der eigentlichen Eiablage war er dann nur noch 10 cm hoch, wurde aber später wieder auf 35 cm aufgeschüttet.

Am späten Nachmittag des 19. Juni begann das Weibchen in der Mitte des Hügels mit den Hinterbeinen ein 20 bis 25 cm tiefes und 30 cm breites Loch auszuheben.
Um 20:30 Uhr fing es mit der Eiablage an, wobei es sich auf Oberkörper und Schwanz abstützte.

Das Weibchen bei der Eiablage Caiman crocodylus - Eiablage

In Intervallen von 15 Minuten legte es jeweils mehrere Eier kurz hintereinander.
Um 21:45 Uhr hatte es auf diese Weise 18 Eier produziert, die von uns sofort nach der Ablage entnommen wurden.
Dabei ist es wohl am sinnvollsten, dem Weibchen die Eier bereits während des Zuwerfens des Nisthügels wegzunehmen, da es sich dann noch in einem tranceähnlichen Zustand befindet.
So kann man, zwar vorsichtig, aber gefahrlos, das Tier an der Schwanzwurzel halten, zur Seite heben und die Eier aufnehmen.
Dabei schaufelt das Tier weiter emsig mit den Hinterbeinen das Loch zu.
Gleiches erleben wir übrigens regelmäßig bei unseren Rotwangenschmuckschildkröten ( Trachemys scripta elegans ).

Kurze Zeit nach der Eiablage baute das Weibchen das Nest wieder zur normalen Größe auf und bewachte es die folgenden Monate Caiman crocodylus - Nisthügel

Nach der Entnahme wurden die Eier mit Hilfe eines Tuches von einer gallertartigen Masse befreit.
Sie dient wohl dazu, die Kloake des Weibchens vor der sehr rauhen Schale zu schützen.
Vielleicht trägt sie auch zur Polsterung der Eier beim Herausfallen in die Eigrube bei.
Anschließend wurden die Eier vermessen.
Ihre Größe variierte zwischen 58 und 65 mm in der Länge und zwischen 34 und 36 mm im Durchmesser.
Sie wurden in eine mit Vermiculit gefüllte Kunststoffschale überführt  ( Gewichtsverhältnis 50 : 50 mit Wasser ) und bis zur Hälfte darin eingebettet.
Als Inkubator diente ein 15 cm hoch mit Wasser gefülltes Aquarium, wobei ein Heizstab für eine kontrollierte Wassertemperatur von 32 bis 34 C° sorgte.
Das gesamte Aquarium wurde in eine Styropor-Box gebettet und mit einer Styroporplatte abgedeckt.
Dadurch wurden Temperaturen von 31 bis 32 C° bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 90 bis 95 % erzielt.

Gut zu sehen sind die horizontal verlaufenden weißen Bänder, die deutlich die befruchteten Eier erkennen lassen Caiman crocodylus

Nach 23 Tagen wurde ein Ei geöffnet und der Entwicklungsstand des Embryos bestimmt.

Caiman crocodylus - Enbryo nach
     23 Tagen



Dabei half die Arbeit von FERGUSON ( 1985 ), der die Eier von 1500 Alligator mississippiensis und jeweils 300 Eier von Crocodylus porosus und Crocodylos johnsoni untersucht und die einzelnen Entwicklungsphasen in Stufen unterteilt hatte.
Nach seinen Daten konnten wir mit einer Entwicklungszeit von 68 bis 73 Tagen rechnen.
Da sich nach 68 Tagen weder Risse in den Eihüllen zeigten noch die Tiere irgendwelche Lautäßerungen von sich gaben, öffneten wir ein Ei.
Zum Vorschein kam ein 19 cm langes Jungtier, das noch einen ca. 2 cm großen Dottersack besaß.
Es verblieb noch zwei Tage im Inkubator, wo es 50 % des Dottersacks resorbierte.
Am 70. Tag entschlossen wir uns, alle weiteren Eier zu öffnen und erhielten so 13 weitere kerngesunde Jungkaimane.

14 Brillenkaimane eine Stunde nach dem Schlupf Caiman crocodylus - frisch
     geschlüpfte Jungtiere

Teilweise waren die Dottersäcke nur noch als farbiger Fleck in der Bauchhaut zu erkennen, teilweise waren sie noch 15 bis 20 mm groß.
Die Größe der Jungtiere schwankte zwischen 185 und 195 mm, das Gewicht zwischen 25 und 32 g.
Nach 7 Tagen war bei allen die Bauchhaut geschlossen.
Bereits nach 5 Tagen wurde kräftig gefressen.

Auch die beim Schlupf noch geringfügig offene Bauchhaut hinderte die Jungtiere nicht daran, bereits nach 5 Tagen kräftig zu fressen Caiman crocodylus - Jungtier

Regenwürmer, mit Korvimin ZVT angereicherte mittelgroße Heimchen und kleine Fische ließen die Tiere in den ersten 3 Wochen um 3 cm wachsen.

Im Juni 1997 wurden 18 Eier inkubiert, aus denen 14 Jungtiere schlüpften.

Im Juni 1998 wurde ein Gelege von 21 Eiern abgesetzt, das 18 Jungkaimane hervorbrachte.

1999 blieb die Eiablage aus.
Das resultierte wahrscheinlich aus einem technischen Problem, das während der Fortpflanzungszeit aufgetreten war und durch das die Wassertemperatur zwei Monate lang nicht korrekt gesteuert werden konnte.
So ergaben sich Temperaturwerte zwischen 19 und 30 C°, die wohl eine erfolgreiche Paarung verhindert haben.

Im Jahr 2000 konnten dann wieder 22 Jungtiere als Zuchterfolg verbucht werden.

Caiman crocodylus - Jungtiere Caiman crocodylus - Jungtiere

Caiman crocodylus - Jungtiere Caiman crocodylus - Jungtiere

Alle bisher geschlüpften Kaimane ( insgesamt 54 ) haben bislang überlebt.
Festzustellen bleibt dabei nur, daß keines der Tiere aus eigener Kraft das Ei verlassen konnte.
Eventuell ist das auf die "sterile Inkubation" zurückzuführen.

Interessant ist, daß sich das Weibchen bereits nach sieben Jahren bei einer Größe von 115 cm fortpflanzte.
STANTON und DIXON ( 1977 ) gaben als Mindestreproduktionsgröße für Caiman crocodylus in den Llanos von Venezuela 129 cm an.

Abschließend sei gesagt, daß die Haltung von Brillenkaimanen bei entsprechendem Platz und Equipment, vor allem aber beim richtigen Verhältnis zu den Tieren, nicht sonderlich schwierig ist.
Es ist leider eine Tatsache, daß diese schönen Exemplare immer wieder als Einsteigertiere in die Krokodilhaltung "mißbraucht" werden.
Für die Art ist von Vorteil, daß die Bestände in Südamerika noch relativ groß sind.
Brillenkaimane sind eine der wenigen Krokodilarten, die die auch in von Menschenhand geschaffenen Gewässern ( Stauseen, Entwässerungsgräben, Häfen ) wild vorkommen.
Durch die relativ großen Bestände - aber auch durch die vielen Farmnachzuchten - ist aber leider auch der Handelspreis vergleichsweise niedrig.
Dadurch kommen viele "Möchtegerne" in Versuchung, für ein paar Mark ein Kaimanbaby im sogenannten "Zoofachhandel" zu erwerben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was mit dem Tier in fünf bis zehn Jahren passiert.

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