Jahrestagung 2003 in Frankfurt


Vom 23. bis 25. Mai 2003 trafen sich die Mitglieder der DGHT-AG Krokodile an einem Wallfahrtsort europäischer Zoogeschichte, dem   Zoologischen Garten Frankfurt am Main  .
Dessen Leitung hatte den Serengeti-Saal für die Tagung zur Verfügung gestellt.

Foto : Michael Rothhaar

Etliche Tagungsteilnehmer und auch einige Gäste der AG waren schon am Freitag angereist; und so traf man sich unweit des Tagungsortes im "Sombrero", einem mexikanischen Restaurant, auf eine Runde Chili con carne und Kroko-Anekdoten.

Nach der Begrüßung durch den Schriftleiter der DGHT-AG Krokodile , Dr. Florian Brandes , startete der Samstag gleich äußerst interessant mit einem gemeinsamen Besuch auf der Alligator - Action - Farm   in Friedberg.
Der Besitzer, Herr Renz , übernahm selbst die Führung durch die Anlagen und stellte sich im Anschluß bereitwillig den Fragen der AG-Mitglieder.
Auf der Alligator-Action-Farm der Familie Renz leben ca. 40 Mississippi-Alligatoren ( Alligator mississippiensis ) aller Altersstufen, vom Jungtier bis zum kapitalen Bullen.
Zu einer erfolgreichen Nach- und Aufzucht ist es bislang noch nicht gekommen, jedoch werden nachhaltige Zuchtbemühungen unternommen.
Neben geführten Besichtigungen, die ein Berühren und Streicheln ausgewählter Tiere einschließen, bietet die Farm sogenannte "Aktionen" an, wie das Schwimmen mit mehreren adulten Alligatoren oder das bekannte "Kopf-ins-Maul-Stecken", worüber die Medien jüngst wiederholt berichtet haben.
Von großem Interesse war auch ein "Fundtier", das auf dem Gelände der Farm ausgesetzt wurde.
Es handelt sich um ein subadultes Kuba-Krokodil ( Crocodilus rhombifer ).
Die AG hat ihre Hilfe bei einer eventuell anstehenden Vermittlung dieser selten gehaltenen Art zugesagt.
Nach dem Mittagessen hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, das Exotarium des Zoos im Rahmen einer Führung durch Herrn Wicker zu besichtigen.
Diese Einrichtung bietet eine Vielzahl terraristischer Leckerbissen und hat zahllose bemerkenswerte Zuchterfolge über viele Jahre hinweg vorzuweisen.
Als kleiner Auszug seien nur Kronenbasilisken ( Laemanctus serratus ), Utila-Schwarzleguan ( Ctenosaura bakeri ) und die farbenprächtigen Philippinischen Bindenwarane ( Varanus salvator cumingi ) genannt.
Für die AG-Mitglieder besonders interessant waren die Ausführungen zu der erfolgreichen Zuchtgruppe des australischen Süßwasserkrokodils ( Crocodilus johnsoni ), einer noch selten gezüchteten Art in Europa.
Ein schönes Beispiel für die zeitgemäße Konzentration auf eine Art im Gegensatz zu den früher durchaus üblichen Artensammlungen.

Crocodilus johnsoni  ( Foto: Michael Rothhaar )

Zurück im Serengeti-Saal des Zoos Frankfurt startete am frühen Nachmittag der erste Vortragsblock.


CHRISTIAN HACKENBROICH:
"Wirbelsäulenerkrankung bei einem Kuba-Krokodil"
Ein 20 Jahre altes Rautenkrokodil wurde mit einer seit etwa vier Monaten bestehenden Parese der Nachhand und des Schwanzes vorgestellt.
Anhand klinisch neurologischer, hämatologischer, mikrobiologischer, radiologischer und computertomographischer Untersuchungen wurde die Diagnose Diskospondylitis T4/5 gestellt.
Nach antimikrobieller und operativer Therapie ( Hemileminektomie und Ausräumen des Abszesses ) zeigte das Krokodil anfangs eine Besserung der klinischen Symptome, verstarb jedoch 16 Tage post operationem an einer Septikämie durch Citrobacter sp., die vermutlich durch einen perforierenden Magenulkus verursacht wurde.
Durch die anschließende Sektion wurde die Diagnose Diskospondylitis T4/5 bestätigt.
Einen besonderen Stellenwert hat die computertomographische Untersuchung, ohne die die Diagnosestellung nahezu unmöglich gewesen wäre.


Dr. M. BAUR, Prof. Dr. R. W. HOFFMANN, Cand. med. vet. H. KEMPF ( Institut für Zoologie, Fischereibiologie und Fischkrankheiten, LMU München ) :
"Augenerkrankung bei Mississippi-Alligatoren, Alligator mississippiensis "
In einer kommerziellen Haltung von etwa vierzig Alligator mississippiensis , die das oben genannte Institut tierärztlich betreut, traten, vom Besitzer fälschlicherweise als Verletzungen betrachtete, etwa mandel- bis aprikosengroße hervorgewölbte, stark gerötete Umfangsvermehrungen am nasalen Augenwinkel bei einigen Tieren auf.
Die klinische Untersuchung erbrachte neben der Umfangsvermehrung, die nach nasal in die Tiefe der Orbita zog und von geringer Schmerzhaftigkeit sowie von teigiger bis elastischer Konsistenz war, weitere Augenbefunde.
So war die Cornea der Tiere entzündlich verändert und wies neben einer massiven Eintrübung eine periphere Rötung und massive Blutgefäßeinsprossungen auf.
Das Allgemeinbefinden der Tiere sowie deren soziales Verhalten innerhalb der Gruppe waren ungestört, die Nahrungsaufnahme und der weitere Gesundheitszustand befriedigend.
Die Tiere werden in einem großen, wenig strukturierten Gehege gehalten, das im Wasserteil keinen Untergrund aufweist, der Landteil ist ausreichend groß.
Der Wasserköper wird über einen etwa 1,5 Kubikmeter fassenden Außenfilter umgewälzt und befiltert.
Die Beleuchtung ergibt sich aus einfallendem Tageslicht und zusätzlich an der Gebäudedecke angebrachten Weißlichtstrahlern.
Die Fütterung besteht aus handelsüblichen, ausgeweideten Brathähnchen, die mit Korvimin ZVT angereichert werden.
Die zunächst durchgeführte lokale Behandlung am Auge, nach Antibiogramm, zeigte keine befriedigenden Resultate, die Umfangsvermehrungen blieben bestehen.
Eine Punktion der Schwellungen blieb ohne Ergebnis, Eiter oder Blut konnte nicht gewonnen werden.
Sowohl aus Tierschutzgründen als auch wegen der Tatsache, daß die Tiere zur Schau gestellt werden, wurden drei männliche Tiere ( ca. 85, 105 und 130 kg Körpergewicht ) am oben genannten Institut zur Diagnose und operativen Therapie vorgestellt.
Nach Allgemeinuntersuchungen und Blutuntersuchung wurden die Tiere, nach Rücksprache mit Herrn Prof. Dr. Wiesner , Tierpark Hellabrunn, München, mittels der"Hellabrunner Mischung" narkotisiert und zusätzlich am Auge selbst mit Lokalanästetika vorbehandelt.
Intra operationem konnte das am nasalen Augenwinkel gelegene dritte Augenlid von der Schwellung abgehoben und nach nasal verschoben werden.
Die darunter liegende Umfangsvemehrung wurde im Bereich der sie umgebenden , stark entzündeten Membran gespalten und nach nasal freipräpariert und anschließend mit resorbierbarem Nahtmaterial ligiert und abgesetzt.
Ein Stumpf, nasomedial innerhalb der Orbita, mußte wegen der schweren Präparierbarkeit belassen werden.
Die Membran ( Sklera ) wurde deutlich reduziert und mit resorbierbarem Nahtmaterial vernäht.
Darüber konnte das Dritte Augenlid wieder in seine physiologische Lage gebracht werden.
Nach lokaler, wie systemischer antibiotischer Abdeckung wurden Druckverbände angelegt, um Blutungen und Serumbildungen zu vermeiden.
Schmerztherapie, eine einwöchige Antibiose und tägliche Verbandswechsel, nebst lokaler Salbenbehandlung führten zum komplikationslosen Abheilen der Operationsgebiete.
Die Tiere wurden für zehn Tage trockengesetzt.
Bereits vier Wochen post operationem gingen die Eintrübungen der Cornea deutlich zurück, ebenso wie die Gefäßeinsprossungen, da nunmehr das Verschließen der Augen beim Tauchen durch das Dritte Augenlid wieder problemlos möglich war.
Zur Abklärung der Ursachen wurde das entnommene, drüsenartige Gewebe histopathologisch untersucht und erwies sich als nicht entzündlich verändertes, hyperplastisches Drüsengewebe der Harder'schen Drüse.
Kausal muß für diese Hyperblasie in erster Linie an einen Vitamin-A-Mangel gedacht werden.
Um Rezidive zu vermeiden und den restlichen Bestand vor ähnlichen Symptomen zu schützen, wurde vorgeschlagen, die Fütterung so umzustellen, daß ganze, nicht ausgeweidete Fische und Warmblüter verfüttert und zusätzlich die fettlöslichen Vitamine A, D und E substituiert werden sollen.
Nach Vorbericht werden die Tiere ausschließlich mit gerupften und ausgenommenen Hühnern gefüttert.
Ein allgemeine Vitamintherapie wurde nicht versucht, da die massiv vorgewölbte Drüse eine Bewegung des dritten Augenlides nicht mehr gestattete und die bereits chronischen Entzündungsprozesse im Bereich der Hornhäute zu gravierend waren.
Somit war die chirurgische Therapie angebracht.
Einige Wochen nach der Operation zeigten sich an den Gliedmaßen der operierten Tiere Hautläsionen, die weit in die Tiefe, vor allem im Bereich des Bindegewebes zwischen den einzelnen Muskelbäuchen hineinzogen.
Eine klinische und mikrobiologische Untersuchung erbrachte einen massiven Befall mit Proteus spp., der zu solchen Bindegewebsnekrosen führen kann.
Eine Untersuchung des Wassers im Behälter ergab eine normale Keimzahl ( mit ca.
1 - 2 x 10³ ) des Wassers, jedoch mit einem 75 %-igen Anteil an Proteus spp..
Dies wurde zum Anlaß genommen, neben der lokalen symptomatischen Therapie der erkrankten Gliedmaßen mit regelmäßiger Wundtoilette, Salbenbehandlung, enzymatischer Wundreinigung und antibiotischer Abdeckung nach Antibioprogramm auch eineVeränderung im mikrobiellen Gleichgewicht im Behälterwasser anzustreben.
Dazu wurden große, oberflächenreiche Gesteinsbrocken in den Wasserteil eingebracht.
Ein genereller, mit mechanischen Reinigungsarbeiten gekoppelter Gesamtwasserwechsel soll zukünftig unterbleiben.
Vielmehr soll der Wasserkörper mit mikrobiell vervielfältigtem und ausgewogenem Wasser aus Freilandteichen "beimpft" werden, um eine Bakterienflora zur Selbstreinigung aufzubauen und eine ausgewogene, einer bakteriellen Monokultur entgegenwirkende Flora zu erzielen.
Das Belassen eines Restvolumens an Wasser im Behälter und die große Oberfläche sollen ein Bestehen dieser Mischkultur ermöglichen helfen.
Der Filter soll zukünftig eher der Umwälzung des Wasserkörpers als der Entfernung von Schwebeteilchen dienen, um einer Sauerstoffanreicherung des Wassers Vorschub zu leisten.
So soll versucht werden, den dominierenden Proteus-Keim zurückzudrängen.
Darüber hinaus wäre erstrebenswert, den Tieren warme, strahlungsintensive Sonnenplätze zu bieten, die ein Abtrocknen der Haut ermöglichen.
Ein Einsatz von UV-haltigen Strahlern könnte darüber hinaus hygienische Vorteile bringen.


MARK AULIYA :
"Entdeckung des Sunda-Gavials im Ujung-Kulon Nationalpark ( Java, Indonesien )"
Der Sunda-Gavial ( Tomistoma schlegelii ) ist geographisch auf Malaysia und Indonesien ( Sumatra und Kalimantan ) beschränkt.
Im Westen Malaysias ist die Art nahe der Ausrottung, während eine Verbreitung in Thailand als historisch angesehen werden muß.
Ein Nachweis für ein Vorkommen auf der Insel Java stand aus, obwohl vereinzelte Literaturangaben über ein Auftreten von T. schlegelii auf der Insel Java berichteten.
Bereits 1863 berichtet "Dr. Klein" in den "Jahresheften des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg" zur "Osteologie der Crocodilschädel".
Unter den zu untersuchenden Exemplaren listet er unter anderem "Rhamphostoma Schlegelii ( Crocodilus Schlegeli Müller und Schlegel ), ein grosses von Java" auf.
Im letzen Jahrhundert wurde der Sunda-Gavial als Faunenelement des Ujung-Kulon Nationalparks in einigen wenigen Schriften genannt. ( z.B. BLOWER & ZON 1977, CLARBROUGH 1990).
Diese Datengrundlage veranlaßte Mark Auliya mehrere Reisen in den Ulung-Kulon Nationalpark ( westliche Spitze Javas ) vorzunehmen.
Erste vielversprechende Ergebnisse wurden durch Alteingesessene und ehemalige Krokodiljäger vermittelt, die den Sunda-Gavial unmißverständlich beschrieben und ihn zur zweiten im Nationalpark vorkommenden Krokodilart - neben dem Leistenkrokodil ( Crocodylus porosus ) - zählten.
Er besitzt sogar einen eigenen Namen : "Julong-julong" - übersetzt : "das schüchterne Krokodil".
Des Weiteren nannten verschiedene Leute immer wieder den gleichen Süßwassersumpf im Nationalpark, in dem der Sunda-Gavial vorkommen soll.
Im Juli und August 2002 besuchte Mark Auliya, unter anderem auch mit Unterstützung durch die DGHT-AG Krokodile , zum zweiten Mal den Park und machte dort die spektakuläre Beobachtung eines adulten Sunda-Gavials - eine sensationelle Wiederentdeckung nach exakt 140 Jahren.
Ein weiterer Nachweis wurde von Fischern erbracht, die wenige Tage später ein ca. 1,5 m langes Tier als Beifang in ihren Fischernetzen erbeutet hatten, das sie am Fangort auch wieder freiließen.
Mit der Kooperation eines der erfahrenen Krokodiljäger konnten verschiedene Fundpunkte des Sunda-Gavials im Nationalpark über einen Zeitraum von fast 40 Jahren rekapituliert werden.
Warum nun diese bis zu 5 m lange Panzerechsenart bis heute als "Flaggschiffart" dieser Süßwasser- und Torfsumpflandschaften übesehen wurde und welche Verbreitungsmuster das Vorkommen einer javanischen Population erklären könnten, wurde diskutiert.
Ein ausführlicher Bericht aller Aufenthalte erschien jüngst in den Mitteilungen der "Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz"   www.zgap.de  ,
wo auch die hier aufgeführten Zitate eingesehen werden können.
Zu diesem Vortrag gibt es eine
Diashow




HEMMO NICKEL :
"Nilkrokodile in Mauretanien"
Der Vortrag bot anhand reichlichen Bildmaterials einen Einblick in die Ökologie der nordafrikanischen Reliktpopulation des Nilkrokodils.
Vorgestellt wurden verschiedene Biotop-Typen, die von Krkodilen bewohnt werden und deren spezifische Anpassungseffekte in Hinsicht auf Nahrungserwerb und Fortpflanzungsbiologie.
Ebenfalls wurde auf die Einflüsse von Mensch-Krokodil-Interaktionen eingegangen.
Deren positiver Effekt ist in der weitgehenden Toleranz durch die Anwohner der betroffenen Gebiete zu sehen; wohingegen eine Bestandsgefährdung in der zunehmenden Überfischung der äußerst empfindlichen Systeme zu befüchten ist.
Desweiteren wurde die Feldarbeit des Biologenteams dokumentiert, die von statistischer Erfassung und Vermessung bis zum Fang und radiotelemetrischer Markierung einzelner Tiere reicht.


Mit einem gemeinsamen Abendessen klang der erste Tag der Jahrestagung aus.

Der Sonntag stand neben der Fortführung der Vortragsreihe vor allem im Zeichen der AG-Organisationstätigkeiten.
Auf dem Programm standen der Bericht des Kassenwartes sowie die Neuwahlen des Vorstandes.
Nach der Entlastung des Kassenwartes und der Entlassung des bisherigen Vorstandes wurden einstimmig und ohne Enthaltungen Volker Steffen zum 1. Vorsitzenden, Ralf Sommerlad ( in Abwesenheit ) zum 2. Vorsitzenden sowie Karl-Heinz Voigt zum Kassenwart und Wolfgang Heuberger zum Schriftführer gewählt.
Der bisherige Schriftführer, Florian Brandes , hatte sich nicht wieder zur Wahl gestellt, um seinen Bemühungen um das Zuchtbuch für China-Alligatoren ( Alligator sinensis ) verstäkt nachkommen zu können.

Vorträge am Sonntag :


OSWALD BURKHARDT :
"Anlage zur Haltung von China-Alligatoren"
Der Vortrag beschreibt Konstruktion, Bau und Betrieb eines Glas-Stahl-Gewächshauses mit zwei klimatischen Segmenten.
Während der gemäßigte Bereich mediterranen Pflanzen vorbehalten ist, ist das tropische Areal Heimstatt für eine Gruppe juveniler China-Alligatoren ( Alligator sinensis ).


ACHIM STRÖH :
"Der Crocodylus Park in Darwin, Australien"
Der Vortragende beschrieb seine Erfahrungen und Eindrücke, die er im Rahmen eines Praktikums in der Einrichtung, die sowohl wissenschaftlichen als auch kommerziellen Zwecken dient, sammeln konnte.
Gehalten und bewirtschaftet werden im Crocodylus Park vor allem Leistenkrokodile ( Crocodilus porosus ) sowie - vor allem zu Schauzwecken - einige Süßwasserkrokodile ( Crocodilus johnsoni ).
Vorgestellt wurde die Aufzucht von der Inkubation der Eier bis zur Fleisch- und Ledergewinning.


Gegen 13:30 Uhr endete die Jahrestagung der AG Krokodile mit dem Ausblick, daß der nächste Tagungsort der   Krokodillezoo   in Dänemark sein wird.


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